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Ansprache zum Volkstrauertag 2019

Nachricht Leer-Bingum, 17. November 2019

Für eine Zukunft in Frieden und Gerechtigkeit

Vor 100 Jahren, 1919 wurde die Weimarer Verfassung verabschiedet.

Es war ein großer und wichtiger Schritt nach den menschenverachtenden Schlachten des ersten Weltkrieges hin zu einer Gesellschaft, die Gleichheit und soziale Gerechtigkeit ermöglichen wollte.

Doch weder die inneren noch die äußeren Bedingungen waren ausreichend für diesen großen Schritt: Die wirtschaftlichen Folgen der Kriegsjahre führten zur Verarmung von Millionen von Menschen. Die innere Bereitschaft, die Demokratie gegen ihre populistischen Feinde von rechts oder links zu verteidigen war im Land viel zu gering.

Die Folge war, dass durch reguläre Wahlen diejenigen die Macht erhielten, die Menschenverachtung und Krieg brachten. Mit der Übertragung der Macht auf Adolf Hitler hatte Reichskanzler Hindenburg der jungen Demokratie jegliche Zukunft verbaut.

Und wenn wir zurückgehen, in das Jahr 1939, dann jährt sich in diesem Jahr zum 80. Mal der Beginn des zweiten Weltkriegs. Seit 1933 hatten die NS-Machthaber Vorbereitungen getroffen für diesen Krieg. Viele Menschen hatten die NS-Regierung trotz Terror und erkennbarer Menschenverachtung mitgetragen, weil sie nach der Weltwirtschaftskrise das Gefühl hatten, es gehe mit Deutschland unter den Nationalsozialisten wieder bergauf. Sie hatten die Augen davor verschlossen, dass es ein Aufschwung war, der Menschenrechte mit Füßen trat und in der Vorbereitung eines Krieges wurzelte.

Die Folge des Krieges war die deutsche Teilung nach 1945. Familien wurden auseinandergerissen. Menschen verloren ihr Leben, die den Weg durch den eisernen Vorhang zueinander suchten. Erst 1989, also 50 Jahre nach Kriegsbeginn, fielen Mauer und Stacheldraht und es konnte ein neues Verstehen und Annähern beginnen.

 

Alle drei Ereignisse, die Weimarer Verfassung von 1919, der Beginn des 2. Weltkrieges vor 80 Jahren und das Niederringen der Mauer vor 30 Jahren zeigen uns sehr deutlich die Möglichkeiten, die wir Menschen haben: Wir können den Weg der Zerstörung und der Menschenverachtung gehen oder wir können die Folgen von Gewalt überwinden und durch unser Denken und Handeln die Voraussetzungen für ein friedliches Miteinander schaffen.

 

Beides ist möglich. Beides sind Seiten unseres Menschseins und auch unseres Miteinanders in unserer Gesellschaft. Und eben hierum ringen wir heute erneut. Haben wir heute, 2019, den Mut, für eine offene Gesellschaft einzutreten gegen alle, die uns mit ihrer Verachtung und ihrem Hass entgegentreten? Oder überlassen wir erneut denen das Feld, die sich selber durch Menschenverachtung großtun wollen?

Der heutige Volkstrauertag erinnert an die Opfer von Krieg und Gewalt, damit uns deutlich wird, welche Dimension es hat, wenn Krieg oder Frieden MÖGLICHKEITEN von uns Menschen sind. Ja, auch Kriege werden gemacht. Sie brechen nicht aus wie ein Vulkan oder überfluten ein Land wie eine Springflut. Sie folgen der Logik menschlichen Handelns.

Dieser Tag mahnt uns deshalb dazu, für den Frieden einzutreten. Dazu erinnern wir uns der Opfer von Krieg und Gewalt, um nach den schrecklichen Erfahrungen der Vergangenheit die Zukunft gewinnen zu können.

 

Welche Macht Gedanken des Friedens und des friedlichen Widerstands gegen Gewalt haben können, zeigt uns das Jahr 1989 mit seinen Friedensgebeten, den Montagsdemonstrationen und schließlich dem mutigen Ruf nach Reformen.

Als Menschen in Deutschland können wir stolz sein über den Dienst an der Allgemeinheit, den hier viele Christen in den Kirchengemeinden der damaligen DDR stellvertretend für die Gesellschaft übernommen haben. Bei allen Versuchen, die Friedensbewegung zu manipulieren und zu unterwandern, ist es weder im Westen noch im Osten gelungen, sie in die Linie der offiziellen Politik einzufügen. Die Menschen haben 1989 in den Gottesdiensten den Weg für einen friedlichen Wandel gewiesen. Sie haben gezeigt: Nicht nur Krieg beginnt in den Köpfen. Auch der Friede beginnt in den Köpfen und Herzen von Menschen.

Doch gerade im 30. Jahr nach dem Niederringen der Mauer wird auch deutlich, dass dieser Weg noch lange nicht an sein Ziel gekommen ist. Neu erheben sich die Stimmen derer, die andere herabsetzen und Hass in die Herzen und Köpfe pflanzen wollen.

 

Da ist es gut, dass der heutige Volkstrauertag Raum für die Erinnerung gibt. Und er gibt damit einen Anstoß für etwas, was für unsere Zukunft ganz wichtig ist: Dass wir miteinander über die Generationen hinweg im Gespräch bleiben. Dass alle, die erfahren haben, was an Unheil über Menschen kommt, wenn Krieg, Gewalt und politische Willkür ein Land verwüsten, nicht mit ihrer Trauer und ihrem Leid alleine bleiben. Damit wir gemeinsam Wege suchen, dass von unserem Land nicht erneut Krieg ausgeht, sondern der Friede gestärkt wird. Damit wir denen wehren, die die sich hinter Vorurteilen und Hass verschanzen.

 

Gerade angesichts des so blutigen 20. Jahrhunderts wünsche ich mir darum Erinnerung und Trauer, die den Krieg nicht verherrlicht. Ich wünsche mir Mut und Entschlossenheit, die Schritte wagt zu Menschlichkeit in Gerechtigkeit und Frieden. Ich wünsche mir Erinnerung, die Schritte zum Ausgleich sucht, ohne dabei feige die Menschenrechte zu vergessen.

Nehmen Sie dies als einen Gedanken mit: Wir alle sollen Boten des Friedens und der Gerechtigkeit sein!

Wer nichts tut, der tut auch nichts für den Frieden. Denn der Unfriede wächst schon durchs Nichtstun. Friede aber braucht unsere Erinnerung und unseren persönlichen Einsatz.

Wer schweigt und wegschaut, beginnt den Frieden zu verspielen.

(Ansprache P. A.Siegmund, Volkstrauertag 2019)