Dieses und das folgende Bild geben einen ersten Eindruck vom Wandel unserer Kirche und auch unserer Gemeinde über die letzten hundert Jahre.
Es scheint sich um einen völlig anderen Kirchraum zu handeln,
zumal auf der Nordseite noch die großen Fenster erkennbar sind. Mittlerweile gibt es auf dieser Seite nur noch kleine Fenster im oberen Wandbereich, wie in romanischen Kirchen üblich.
Der Name "Matthäikirche" erinnert einerseits an den Evangelisten Matthäus, andererseits auch an einen Zöllner gleichen Namens, der den Kirchenbau mit erheblichen Mitteln (der Legende nach aus etwas zweifelhafter Quelle) unterstützt hat. Der Innenraum der Kirche wurde von 1959 - 69 renoviert. Leider konnten die alten Mauern nicht nach Wunsch trocken gelegt werden. Deswegen ist eine erneute Renovierung nötig geworden. Wegen Geldmangels ist diese vorerst zurückgestellt.
Der Altarraum, die Apsis, wird von dem Triumphbogen betont. Triumphbogen und Gewölbe symbolisieren für die Menschen im Mittelalter den Himmel, aus dem Christus wiederkehren wird. Früher war das Gewölbe mit einer Christusfigur bemalt.
Der Altar steht in der durch die versetzte Mauerung und die Stufe geschaffene Altarnische. Der Altar ist neu aufgemauert. Die Platte (Mensa) darauf ist aus rotem Sandstein. Sie hat ein sehr hohes, allerdings nicht datiertes Alter. Die Mensa hat als Deckel auf einem Steinsarg gedient, den man unter der vorherigen Holzkirche fand. Das heutige Altarkreuz, ein Wendekreuz mit der Darstellung des siebenäugigen Lammes (Offenbarung 5, Vers 6), stammt von Joachim Schubotz (1968).
Der Taufstein dagegen ist jünger. Er ist aus gelbem Sandstein und stammt aus dem Bentheimschen. Etwa aus dem 14. Jahrhundert. Werkstätten für Steinmetzarbeiten gab es damals in Ostfriesland nicht. Es war leichter, die Kunstwerke auf dem Wasserwege aus dem Flämischen zu importieren.
Die Barockkanzel ist aus dem Jahre 1691. Sie ist mit altkirchlichen Symbolen verziert. Die ganz einfache Bauernschnitzerei stellt die 4 Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes dar. Oben, in der Mitte, ist das Wappen der Familie Cromminga. Im Buch des Lukas steht der Name des Erbauers „Frerick Albers“. In der Kirche zu Hatzum kann man sehen, wie diese Kanzel im Original aussah.
Die Orgel wurde von der Firma Ahrend und Brunzema, Loga gebaut. Am 09.03.69 wurde sie eingebaut. Die Werkstatt von Jürgen Ahrend gehört heute zu den bedeutendsten Orgelbaufirmen Deutschlands. Es besteht die Möglichkeit, z.B über eine Orgelexkursion wie sie vom Organeum in Weener angeboten wird, die Bingumer Orgel, aber auch die einzigartige Orgellandschaft Ostfrieslands näher kennenzulernen.
Das Gestühl wurde 1969 neu angefertigt. Die dunkelgrüne Farbe steht im Gegensatz zum Rot der Kanzel. Altes und Neues sollte so miteinander harmonieren.
Das Kreuz über dem Chorraum (Joachim Schubotz, 1968) will darstellen, was in der Bibel über Jesu Leiden geschrieben ist: Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. (Jesaja 53).
Eine andere Deutung spricht davon, dass das Kreuz die Zerrissenheit der Welt in sich aufnimmt und umschließt.
Die drei Glasfenster der Apsis wurden ebenfalls von dem Hannoveraner Joachim Schubotz entworfen. Sie nehmen die Themen der großen Feste des Kirchenjahres auf:
Das erste (Nord-)Fenster nimmt Motive des Weihnachtsfestes auf. Die Krippe und der Stern von Bethlehem erinnern hieran.
Das zweite, mittlere Ostfenster erinnert an Ostern. Es stellt die Symbole für Tod und Leben, für Schuld und Versöhnung dar: die Dornenkrone mit den sieben Blutstropfen Christi, die Schlange als Symbol der sich selber verzehrenden Sünde und das Kreuz von Golgatha als Zeichen der Versöhnung.
Motive des Osterfensters wurden von Karl-Ludwig Böke bei der Gestaltung der Pforte vom Bingumer Kirchplatz zum Friedhof übernommen.
Das dritte (Süd-)Fenster ist dem Pfingstfest gewidmet: Die aufgehende Blüte und die Feuerflammen verweisen auf den lebensschaffenden Geist Gottes der Menschen den Zugang zur Erkenntnis Gottes öffnet.
Aus der Innengestaltung der Kirche wurden als Motive des mittleren Ostfensters die Schlange und die Dornenkrone für die Pforte zum Friedhof übernommen. Die Pforte wurde wie "die Trauernde" von von Karl-Ludwig Böke (Leer) gestaltet und zeigt eine Schlange, die sich selber in den Schwanz beißt und dabei von einer Dornenkrone gerahmt ist. Es ist ein Symbol für den Tod, der sich durch Kreuz und Auferstehung Jesu Christu selber verschlingt.
Vor der Kirche ist eine Gedenkstätte für die Opfer der Weltkriege des 20. Jahrhunderts und des Krieges von 1870/71 errichtet. Der Beschluß zur Neugestaltung einer Gedenkstätte erfolgte Anfang 1964 als gemeinsamer Beschluß von Kirchenvorstand und (zu der Zeit selbständiger) politischer Gemeinde Bingum. Die Statue "die Trauernde" wurde vom Leeraner Bildhauer Karl-Ludwig Böke von 1966-1968 vor Ort geschlagen. Sie korrespondiert mit der Pforte des Friedhofs. Auf den Gedenktafeln an der Südseite des Kirchplatzes wird neben den Opfern von Kampfhandlungen auch dreier Bingumer Bürger gedacht, die in Konzentrationslagern ihr Leben verloren.
Seit 2003 lädt in unserer Kirche ein Kerzenbaum dazu ein, um z.B. nach einem Gottesdienst oder bei einem Besuch der Kirche (Offene Kirche), für ein Gebet innezuhalten und eine Kerze zu entzünden.
Der Turm der Bingumer Matthäikirche wurde im Jahr 1766 errichtet.
Eine Gedenktafel an der Ostseite des Turmes, sowie ein in Sandstein gehauenes
Ziffernblatt einer alten mechanischen Uhr mit der Jahreszahl 1766 erinnern an diesen Neubau.
Der Turm wurde 2003 von außen umfassend saniert.
Die Inschrift der Sandsteintafel lautet:
"Im Jahr 1766 ist während der glorreichen Regirung und unter allergnädigster Begünstigung Friedrichs II., Königes in Preisen EE dise neue Kirch Thurm von der Gemeine zu Bingum Gott zu Ehren erbauet worden."
Aufgrund der schwierigen Bodenverhältnisse steht der Turm frei neben der Kirche.
Mit der Glockensanierung 2012 wurde ein neues Uhrwerk eingebaut und auch ein Stundenschlag ermöglicht. Seitdem begleitet die Uhr die Bingumer wieder durch den Tag.
Die Ausrichtung der Uhr zur Ems hat ihren Grund in der ursprünglichen Form des Ortes. Die Häuser reihten sich entlang der Ems. Die Kirche stand am weitesten vom Fluss entfernt auf einer Warft.
Seit Sommer 2012 begleitete ein vierstimmiges Geläut die Gemeinde durch die Woche und bei den Gottesdiensten. Hierfür wurden von Simon Laudy aus Finsterwolde (Niederlande) drei neue Glocken gegossen. Dieses Geläut wurde dann 2016 um eine fünfte Glocke erweitert. Der Glockenguss fand auf dem Kirchplatz vor der Matthäikirche statt
Von 1972 bis 2013 war ein Schwan, der von einem Gebäude aus Bingum stammt in der Heinrich-Gätke-Halle des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven ausgestellt. Der Schwan ist in Ostfriesland traditionell das Zeichen der evangelisch-lutherischen Gemeinden.
Möglicherweise zeigte dieser Schwan auf dem Westgiebel der Kirche an, dass es sich um eine evangelisch-lutherische Gemeinde handelt.
Bei den Renovierungsarbeiten der 1960er Jahre wurde der Schwan nicht wieder montiert.
Im Zuge der Dorferneuerung wurden der Kirchplatz und der alte Dorfkern 2005 neu gestaltet. Die Einweihung erfolgte im September 2005 mit einem Gemeindefest rund um Kirche und Gemeindehaus.